Osterlächeln

Ein kurzer Festtagskrimi von Marc van der Poel

Der Mann starrte mit unverhohlenem Hass zu ihm herüber. Pfarrer in Rente Ansgar Hansen fragte sich, wo er das Gesicht des fremden Kirchenbesuchers schon einmal gesehen hatte, aber es wollte ihm nicht einfallen. Er seufzte. Sein Gedächtnis ließ ihn in letzter Zeit immer häufiger im Stich, eine der vielen Unannehmlichkeiten, die das Alter mit sich brachte. Er war jetzt beinahe siebzig und die lebenslange Arbeit im Gemeindedienst hatte ihn verschlissen. Und wenn es auch fast Ostern war, so würde seine persönliche Auferstehung doch noch eine Weile auf sich warten lassen. Für ihn hieß es erst einmal, den langen langsamen Verfall zu ertragen, welcher mit dem Älterwerden einherging. 

Katzenbesitzer

‘Wie der Kater’, dachte Beck, während er den Jungen ansah. ‘Genau wie der Kater, als er aus dem Tierheim kam. Geduckt. Alles eingezogen. Ein einziges großes Auge, das hinter einer Deckung hervorschaut.’
Der Junge hatte nur einen Schlafanzug an. Er hatte die Beine ineinander verschlungen, einen Daumen im Mund und drückte sich so eng er konnte an seine Mutter, die auch nur ein Nachthemd trug. Von den vier Menschen, die in der Wohnung lebten, war niemand richtig angezogen. Über Hamburg wurde es gerade hell.

Ulrich und Afra

Eine Kurzgeschichte von Marc van der Poel - Hörbuch

„Alles in Ordnung mit dir?“, hören wir eine Frau sagen. Wir merken auf und finden uns in einem kleinen Dachzimmer wieder. Das spärliche Licht darin kommt durch ein schmutziges Fenster mit morschem Holzrahmen und einfacher Verglasung. Während wir uns daran gewöhnen, nehmen wir verschiedene Einzelheiten in uns auf. Die Tapeten sind zerschlissen und fleckig von Feuchtigkeit und Schimmel. Es gibt ein Bett, einen Stuhl, einen Schminktisch. Auf dem Fußboden verstreut liegen Kleidungsstücke und an der Wand hängt ein Kalender, der längst abgelaufen ist. Er zeigt eine Brunnenfigur mit Flügelhelm und trägt die Aufschrift ‚Augsburg ist schön‘.
Auf der Kante des Bettes sitzt ein nackter Mann. Er ist blass und dick und hat die Ellenbogen auf den Knien aufgestützt. Schwer atmend und mit zitternder Unterlippe starrt er auf den Boden.

#angsthase: Acht Kurzgeschichten von Meike Stewen

#angsthase: Acht Kurzgeschichten von Meike Stewen von [Meike Stewen]

„Wir müssen hier mal gründlich ausmisten“, hat Papa gesagt.
„Fein“, hat Mama gesagt, „ich gehe zuerst.“

Ein Plüschhase schwimmt im Kanal. Asche rieselt in den Ozean. Ein Stück Fliegenpilz landet im Magen und ein Hintern in einem Gesicht.

So ist das eben, mit solchen Dingen muss man klarkommen. Unzählige Male im Leben, siebenmal in diesem Band. Die Geschichten dazu spielen in der Großstadt, auf der Landstraße, in Schottland, in Spanien und im Internet ... vor allem aber im Kopf. Und alle haben ein Stück Angsthase in sich, der sich fragt: Wie geht das bloß mit dem Erwachsenwerden?

Meike Stewen gehört zu meinen absoluten Lieblingsautorinnen. In diesen wunderschönen kleinen Band gibt es acht ihrer Kurzgeschichten. Jede davon hat mich noch lange nach dem Lesen begleitet.

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"#angsthase: Acht Kurzgeschichten von Meike Stewen" auf der Seite des Dichtfest-Verlags

 

 

 

 

 

 

 

Tröts:

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